H-Boot Klassenvereinigung : Segelmotiv.

Weltmeisterschaft

Leider ohne Weltmeister!

Es fing alles so schön an: Drei Wettfahrten am ersten Tag — doch dann streikte Rasmus.

Es begann mit den üblichen Formalitäten. Sonntag und Montag inspizierte der IHA-Vermesser Heinz-Werner Aping mit seinen lokalen Helfern ganz entspannt die 40 teilnehmenden Boote. Nacheinander fuhren die Fahrzeuggespanne durch die Halle der Fallenbachwerft im Gewerbegebiet von Brunnen. Für fünf ausgeloste Mannschaften bedeutete das nicht nur die Segel für die Vermessung auszuladen, sondern das ganze Schiff zum Wiegen auszuräumen.

Danach ging es zur 2 km entfernten Marina Fallenbach zum Einkranen, Mannschaftswiegen und weiteren Vermessen am Liegeplatz. Die Marina liegt idyllisch am Steilufer des Gersauer Sees westlich von Brunnen. Parken konnten die Teilnehmer direkt hinter der Marina in einem aufgelassenen Steinbruch. Die Organisation der Logistik und Formalitäten, die bei Weltmeisterschaften an anderen Orten schon mal Anlass zur Klage gab, war bei unseren Schweizer Segelfreunden perfekt.

Zur Eröffnungszeremonie am Montagabend bei Chips, Salzgebäck, Fingerfood und Sekt gab es die üblichen Ansprachen von Bürgermeister, Vorsitzendem der SUI-Sailing und Clubvorsitzendem. Der sympathische Wettfahrtleiter Christoph Caviezel gratulierte den Seglern in seiner feurig-launischen Begrüßungsrede zu einer WM in der richtigen Woche. Es würde viel Wind erwartet. Beim RV Brunnen hätte es zudem noch keine Meisterschaft gegeben, die mangels Wind nicht zustande gekommen sei. In einem während der Woche erschienenem Zeitungsbericht verglich der Vorsitzende des RV Brunnen, René Baggenstos, sein Revier mit dem Gardasee: Verlässlicher Thermik-Wind aus Nord. Diese Worte bauten eine große und freudige Erwartungshaltung für das Kommende auf. Leider hatte Rasmus als Gott des Windes jedoch nicht zugehört oder war wohl anderweitig beschäftigt.

Der Dienstag begann noch sehr verheißungsvoll. Auslaufen nach der Steuermannbesprechung mit der Frühthermik in das Regattagebiet. Mit Mühe wurde das Regattagebiet im Urnersee erreicht — dann war erst einmal Pause.

Um 12.30 Uhr setzte der Wind unvermittelt und gleich mit 15-17kn ein. Die erste Wettfahrt startete um 12.47 Uhr unter „P“ mit floatenden Tonnen. Auf Grund der großen Tiefe des Gewässers – der See ist bis zu 214 Meter tief – können die Starttonnen nicht fest verankert werden. Daher wird das Pin End schwimmend gesetzt und vor dem Startschiff wird ein weiteres Pin End gesetzt. Die Verbindung zwischen diesen beiden Tonnen bildet die Startlinie. Es galt nun Wind und „floatende“ Startlinie so in Einklang zu bringen, dass der von jedem angestrebte Null-Start dabei heraus kam. Die Skandinavier zeigten von Beginn an, dass Ihnen Wind und Revier liegen. Der ehemalige Weltmeister Claus Høj Jensen (DEN 597) gewann die Wettfahrt vor seinen Landsleuten Claus Hovgaaard (DEN 569) und Morten Nielsen (DEN 533). Als beste Deutsche platzierten sich Sven Holzer (GER 1715) auf Platz vier und Thomas Kausen (GER 1721) auf Platz neun.

Gleich im Anschluss startete die zweite Wettfahrt. Diesmal zeigten die Finnen mit Platz eins (Jan Forsboom, FIN 958), zwei (Petro Pälviranta, FIN 826) und vier (Pauli Immonen, FIN 892) ihr Können. Dritter wurde Claus Høj Jensen (DEN 597).  Peter Zauner (GER 1663), Dirk Stadler (GER 1718) und Thomas Kausen (GER 1721) belegten die Plätze fünf, sechs und neun. Den zehnten Platz reklamierte Phips Ullherr (GER 1376) für sich. Besonders in dieser zweiten und in der Dritten Wettfahrt entwickelten sich in der Spitze harte und enge Kämpfe, die einer Weltmeisterschaft würdig waren. Wie immer waren in jedem Lauf die skandinavischen Segelfreunde eine harte und ernstzunehmende Konkurrenz vom Start weg. „Da muss man schon am Start sein Boot echt im Griff haben“, so Peter Zauner (GER 1663), der insgesamt auf einen sehr guten elften Platz segelte und drittbester Deutscher wurde.

Auf der zweiten Kreuz zur dritten Wettfahrt fing der Wind leider schon an zu stottern und hielt noch soeben bis zum Ziel in Lee. Dirk Stadler (GER 1718) gelang die beste Platzierung eines Deutschen in einer Wettfahrt: Platz zwei. Erster und dritter wurden Morten Nielsen (DEN 533) und der ehemalige IHA-Vorsitzende Jyrki Lindström (FIN 957). In die TOP TEN schafften es auch Peter Zauner (GER 1663, Platz 6) und Peter Nürnberger (GER 1639, Platz 9). Danach wurde ab 16.30 Uhr in den Hafen geschleppt, wo die stets mit frischem Grillgut, Kuchen, Eis und Kaffee gut bestückte Versorgungsstation und das Einlaufbier warteten.

In der Steuermannbesprechung am Mittwoch kündigte der WFL noch stärkere Thermik an. Wir liefen aus — und kamen nicht weit. Das Startschiff wartete an der Luv-Tonne. Erst gegen 14.00 Uhr setzte Thermik ein, die aber nicht richtig durchkam. Viermal machten wir uns leider vergeblich für einen Start bereit. Seglerschicksal. Weit in Luv im Gersauer Becken wurde gesegelt. Die Boote kamen auch zu uns runter, drehten aber weit vor der Luv-Tonne wieder ab. Um 16.00 Uhr schlief der Wind dann leider ganz ein und es ging im Schlepp zurück.

Abends lud der Veranstalter zum Championship-Dinner in den Waldstätter Hof – die gastronomisch erste Adresse am Ort direkt am See, in der schon Winston Churchill seine Flitterwochen verbracht haben soll. Das sensationell leckere Dinner wurde im großen Saal an runden und eckigen Tischen serviert. Die musikalische Untermalung von einer Streichercombo, einem Damenchor und 12 Alphornbläsern (nacheinander, nicht gleichzeitig) ging leider etwas unter. Das tat der guten Stimmung unter den Seglern aber keinen Abbruch. Die Stimmung wurde auch durch eine Tombola angeheizt, zu der unter ausgewählten Stühlen die Losnummern befestigt waren. Highlight des Abends war ohne Zweifel die herausragende Gastfreundschaft in einer sehr noblen Location.

Auch in der Steuermannbesprechung am Donnerstag war der WFL sehr optimistisch, dass gute Thermik kommen wird und mindestens die fehlenden beiden Wettfahrten in einem doch engen Zeitfenster gesegelt werden können. Das gleiche Spiel wie am Vortag: Auslaufen und Warten an der Luvtonne. Gegen 14.30 Uhr kam Wind auf. Aber nicht genug — das H-Boot Feld baute einen Frühstart. Als wir nach dem folgenden erfolgreichen Start an der Luv-Tonne ankamen, sagte ich zu meinen Mädels: „Der Wind reicht nicht!“ Auf dem Down-Kurs sind alle Boote, die etwas zu weit rechts oder links raus gesegelt sind, brutal liegengeblieben. Am Leefass war dann für alle Schluss. „AP über H“. Obwohl sich in der Düse wieder Thermik aufbaute, ging es sofort im Schlepp nach Hause — für 17.00 Uhr war ein Gewitter angesagt. Ein deutlich niedergeschlagener WFL kündigte an, nach dem Gewitter noch einmal starten zu wollen. Fast pünktlich fegte das Gewitter über den Vierwaldtstätter See, aber danach setzte sich erstmal kein segelbarer Wind durch. Um dem WFL noch mehr Möglichkeiten einzuräumen, verschob die H-Boat Family das letztmögliche Vorbereitungssignal am Freitag von 14.00 auf 15.00 Uhr.

O-Ton des Wettfahrtleiters in der Steuermannbesprechung am Freitag: „Alle meine Aussagen trafen nicht zu, da die Temperaturen in der Gesamtschweiz zu hoch waren. Ich bin aber weiter optimistisch! Wir fahren raus. But no more words!“

Die Bahn wurde deutlich mehr in die Düse verlegt und um 12.14 Uhr startete das Feld erfolgreich zur vierten Wettfahrt bei etwa 8kn. Auch hier hatten die Skandinavier die Nase vorn: Claus Høj Jensen (DEN 597) fuhr seinen zweiten Tagessieg vor zwei Finnen (Jan Forsbom, FIN 958 und Jiyrki Lindström, FIN 957) ein. TOP TEN platziert waren Thomas Kausen (GER 1721, Platz 4) und Dirk Stadler (GER 1718, Platz 9).

Die anschließende Wettfahrt endete weit vor der Luv-Tonne. Alle Boote wurden zum Startschiff zurückbeordert. Aber außer Brutzeln in der Sonne war leider nichts mehr. Auch die Verlängerung der möglichen Startzeit in Hoffnung auf Wind führte zu nichts. So ging es um 15.00 Uhr abbauenderweise im Schlepp zurück zum Hafen und dort direkt zum Kran.

Am Abend begann in Brunnen das Festival „WindWeek“ und am Samstag „Brunnen kocht“. Auf dem Festivalgelände waren nicht nur Hüpfburgen, Essstände und Ähnliches aufgebaut, sondern auch ein Bühne auf der unter anderem gegen 19.45 Uhr unsere Preisverleihung durchgeführt wurde.

Angeführt von 15 bis 20 Schweizern in Tracht mit verschieden großen Kuhglocken – teilweise mussten diese sogar geschultert werden – zogen die Segler auf das Festivalgelände. Ein Mordsspektakel, das die ungeteilte Aufmerksamkeit vieler unbeteiligter Besucher erregte.

Bei der Siegerehrung wurden ein paar kurze, nett Reden – teilweise auf Deutsch mit Schweizer Akzent – gehalten. Alle Mannschaften wurden namentlich genannt, vor die Bühne gebeten und erhielten einen Erinnerungspreis. Die drei Bestplatzierten wurden mit der entsprechenden Nationalhymne geehrt, nachdem sie den Siegerpodest erklommen hatten. Sieger wurde Claus Høj Jensen (DEN 597) vor Morten Nielsen (DEN 533) und Jan Forsbom (FIN 958).

Die Siegerehrung ging in einen Stehempfang mit einem sehr, sehr reichlichen Vorrat an Baguettes, Canapés und Wein über. Selbst völlig ausgehungerte Segler wurden satt. Der Empfang wandelte sich dann in eine allgemeine Party mit einer sehr guten Coverband, welche die Gesellschaft richtig rockte. Gegen halb ein Uhr nachts wurde der übliche harte Kern der feiernden Segler vom Veranstalter hinaus komplimentiert, da die Security das Gelände absperren wollte. Die zuvorkommenden Gastgeber begleiteten ihre feierlustigen Gäste jedoch in eine nette Kneipe, wo die letzten bis fünf Uhr morgens durchgehalten haben.

Fazit: auch ohne genug passenden Wind erlebten wir einen professionellen, großzügigen und sehr, sehr herzlichen Gastgeber dem eine erfolgreiche Weltmeisterschaft zu gönnen gewesen wäre. Wir haben eine schöne spätsommerliche Zeit teils sonnend und teils segelnd zu Füßen leuchtender Gletscher und schroffer Steilwände verbracht. Das grüne Wasser des auf 434 Meter Höhe gelegenen Sees komplettierte das alpine Idyll. Andere zahlen viel Geld um hier Urlaub zu machen. Seglerisch kam zwar keine Weltmeisterschaft zustande, doch die Chance gegen die Mehrzahl der Spitzensegler aus Skandinavien zu fighten war alleine schon die Reise wert. Die von unseren Schweizer Freunden geschaffenen Rahmenbedingungen und –veranstaltungen waren einer Weltmeisterschaft mehr als würdig.

Christoph Zander mit Ergänzungen von Markus Spiecker und Peter Zauner.

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