Ansprache zur 50 Jahr Feier
Liebe Gäste, liebe Segelfreunde und Fans des H-Bootes.
Vor 50 Jahren … war das Jahr 1967 …
Viel war da los, woran wir uns noch heute erinnern.
Vietnamkrieg, Sechs-Tage-Krieg, der Tod von Benno Ohnesorg und die große Koalition unter erstmaliger SPD-Beteiligung prägten die Nachrichten.
In Deutschland begann das Farbfernsehen. Ein entsprechendes Gerät kostete halb so viel, wie ein VW Käfer.
Musikalisch dominieren die Beatles. Sie bringen mit Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band eines der ersten Konzeptalben der Pop-Geschichte heraus. Im Kino gingen sie auf die Magical Mystery Tour.
Und sportlich?
Der 1. FC Bayern München gewann in seiner zweiten Bundesligasaison gegen die Glasgow Rangers mit dem Europapokal der Pokalsieger seinen ersten internationalen Titel. Deutscher Meister wurde Eintracht Braunschweig.
Francis Chichester umrundete mit der Gipsy Moth IV als Erster die Welt einhand auf der West-Ost Route um die großen Kaps. Dafür wurde er von der Queen zum Ritter geschlagen.
Die Mercedes III gewinnt den Admirals‘ Cup erstmals für Australien und die Inteprid holt den America’s Cup ebenfalls nach Australien.
Last but not least das Wichtigste im Jahr 1967: in Finnland entstehen die ersten H-Boote.
In einer Zeit, in der althergebrachte gesellschaftliche und politische Strukturen aufbrachen und einen Weg in die Zukunft freimachten, war ein zukunftsträchtiger Kurs auch im Bootsbau nötig.
Eine schon damals weit verbreitete Klasse war das Nordische Folkeboot. Leider unterlag sie jedoch den Zwängen der damaligen Klassenregeln. Vor allem galt: Einheitsklassen dürfen nur aus Holz gebaut werden. GFK als Baustoff war mit einer Totschlagargumentation konfrontiert, die bis heute in vielen Lebensbereichen zur Verhinderung von Neuem genutzt wird: es wurde zu einem nicht ausreichend erforschten Material erklärt.
Dieser Argumentation mochten viele Segler – vor allem in Skandinavien – nicht folgen. Es entstand die Idee einen kleinen Schärenkreuzer zu entwickeln, quasi eine modernisierte Version des Folkebootes. Ein schönes modernes Boot ohne die Einschränkungen der Holzbauweise und schnell auf der Regattabahn sollte es sein.
Der Finne Hans Groop, ein früher Spezialist für den GFK-Bootsbau, erhielt vom Yachtclub Segelsällskrab den Auftrag für einen Entwurf und traf ins Schwarze. Die ersten 15 noch handgefertigten H-Boote kamen 1967 ins Wasser. Sie versägten auf der Regattabahn bald alles, was unter Segeln unterwegs war.
Der weitere Erfolg kam schnell. Bereits nach nur einem Jahr gewährte die Finnish Yachting Association 1968 den Klassenstatus und schon 1970 erkennt sie das H-Boot als Einheitsklasse an. Fünf Jahre nach dem Bau des ersten Prototyps waren 1973 bereits mehr als 500 H-Boote in Fahrt. Im Schnitt entstanden also rund 100 H-Boote pro Jahr.
1973 war auch das Jahr, in dem das erste H-Boot mit der Segelnummer G-1 nach Deutschland zum Potsdamer Yacht Club an den Wannsee kam. Es ist ein Beweis für die Unverwüstlichkeit des Entwurfes, dass dieses Boot bis heute am Rursee gesegelt wird.
Auf die vielen Details und Einzelereignisse der weiteren Entwicklung möchte ich hier nicht eingehen. Dazu sei Euch das aktuelle H-Boot Journal ans Herz gelegt, in dem die Geschichte des H-Bootes in den letzten fünf Jahrzehnten chronologisch aufgeführt ist.
Das H-Boot fand in den Folgejahren in vielen Bereichen des Segelns seinen Platz. Ob auf der Regattabahn, auf Binnengewässern, der dänischen Südsee oder dem Atlantik – bis heute und auch in Zukunft garantiert es sportlich, flotten Wassersport für Segler jeden Alters.
Dabei ist es ein ausgeprägtes Familienboot mit dem viele von Euch schöne Urlaubstörns unternehmen. Übernachtungen sind dabei kein Problem. Segelfreunde aus Essen segelten 2009 mit drei Erwachsenen und einem Teenager sechs Tage auf dem Bodden – inklusive Übernachtungen an Bord. Als beim Auskranen eine Gruppe Bavariasegler erstaunt war, wie viele Taschen aus dem H-Boot gehoben wurden, konterte die Segelfreundin gekonnt: „Kein Problem im H-Boot. Das waren aber nur die Taschen, bei der Tischtennisplatte muss mein Mann gleich mit anfassen.“
Andere Segelfreunde haben ihr Boot seit 20 Jahren in Triest liegen und segeln mittlerweile in dritter Generation auf der Adria.
Unser Obmann für das Fahrtensegeln Michael Röhrig geht mit „Semper Fidelis“ jedes Jahr auf Törn. Falster, Mön, Seeland, Kopenhagen, Malmö, Langeland, Bagenkop, Bornholm, Fehmarn, aber auch Oostende, Dünkirchen, Calais, Dover, Eastbourne und London stehen in seinem Logbuch. Auch hat er bereits zweimal an der Silverrudder Challenge, der Einhandregatta rund Fünen teilgenommen. Ziele an Bodensee und Ijsselmeer sind ihm bestens bekannt. Jedem H-Boot-Segler mit Ambitionen im Fahrtensegeln möchte ich die Teilnahme am jährlichen Flottillentörn der DHK empfehlen, den Michael jedes Jahr organisiert.
Wie sehr dem H-Boot die Meere dieser Welt offen stehen, hat Philipp Heisig 2001 bewiesen, als er mit einer Mitseglerin im H-Boot von den Kanaren nach Antigua über den Atlantik segelte.
Mehr im Licht der Öffentlichkeit stehen die Regattasegler aus unserem Kreise. Flottes Segeln bei geringen Windstärken aber auch bei viel Wind ist für das Boot kein Problem. Es ist stabil, sportlich-agil und durch sein hohes aufrichtendes Moment sehr sicher.
Dass man nicht früh genug mit dem Regattasegeln beginnen kann belegte Familie Müller-Böling schon vor vielen Jahren. Tochter Julia fuhr ihre erste Regatta mit 16 Monaten. Noch heute ist sie als erwachsene Frau mit ihrer eigenen Familie auf der Regattabahn zu finden - natürlich im H-Boot. So wird das H-Boot nicht nur zum Familienmitglied, sondern zum Bestandteil des eigenen Lebens.
Auch seglerische Spitzenleistungen im H-Boot können zur Familientradition werden. Unsere dänischen Freunde machen es vor. Vater Poul Richard Høj Jensen wurde 1980 erster Weltmeister im H-Boot. Einen Sieg, den er 1983 wiederholen konnte. Ihm folge sein Sohn Claus Høj Jensen als Weltmeister 2008, 2011, 2013, 2014 und 2015.
Auch in diesem Jahr gewann Claus die Regatten zur Weltmeisterschaft auf dem Vierwaldtstätter See. Leider konnte der Weltmeistertitel aber nicht vergeben werden, da mangels Wind nicht genug Wettfahrten zustande kamen.
Ich möchte betonen, dass Regattasegeln und Fahrtensegeln kein Wiederspruch sind. Im Gegenteil. So segelten 1997 drei schwedische Segelfreunde auf eigenem Kiel bei bis zu 8 Beaufort von Malmö zur WM nach Warnemünde, nahmen an den Wettfahrten teil und segelten dann wieder nach Hause. Wer braucht schon Trailer, Schleppfahrzeuge und solch ein Gedöns.
Wie kommt man nun zum H-Boot?
Ich selbst habe von Kindesbeinen an gesegelt. Den Unterschied zwischen Luv und Lee erlernte ich als Jugendlicher auf Vaurien und 470er. Als ich dann 1993 nach Studium und dem Berufseinstieg wieder Lust auf Segeln bekam, sollte es ein regattafähiges und gut trailerbares Kielboot sein. Fast automatisch führte da der Weg zum H-Boot. Ich habe den Schritt nie bereut.
Genau diese Vielseitigkeit – regattafähig und trailerbar, aber gleichzeitig auch bei Fahrtentörns und auf dem heimischen Binnengewässer bequem und einfach zu segeln – macht den Reiz und die Vorteile des H-Bootes aus. Ein Boot für den ehrgeizigen Regatta-Crack genauso, wie für die Familie – wobei das eine das andere nicht ausschließt.
Natürlich gibt es viele jüngere tolle, sportlich-schnelle Bootsklassen, die unserer Klasse bei jungen Seglern und Umsteigern aus den Jollen Konkurrenz machen. Aber verstecken müssen wir uns nicht. Unsere Klasse und unser Boot hat viel zu bieten. Nehmt junge Segler aus Euren Vereinen mit und lasst sie es selbst erfahren. Sprecht über die Reize und Vorteile des H-Bootes. Nehmt an Regatten teil und lasst engagierte Vereine nicht mit kleinen Regattafeldern verhungern. Macht in der Wintersaison Vortragsabende über tolle Törns oder spannende Regatten in Euren Vereinen. Nennt die Vorteile
- Sportlicher Charakter
- Ideales Fahrtenboot
- Tolle Community
- Hohe Wertstabilität bei guter Pflege
Wenn wir alle gemeinsam unsere Begeisterung weitertragen und für unser H-Boot werben, dann ist mir um die nächsten 50 Jahre H-Boot nicht bange.
Christoph Zander