Silverrudder Challenge of the sea 2015

134 M nonstop rund Fünen und das Ganze allein.

Das H-Boot einsam im Svendborger Hafen.
Das H-Boot einsam im Svendborger Hafen.

Als ich diese Zeile Anfang des Jahres in der Yacht las, war ich sofort angefixt. Schnell war mir klar: Das ist mein Ding. Wieder richtiges Ostsee segeln auf salzigem Wasser mit richtigen Wellen, weitem Himmel, echtem Horizont, mit Seekarten und Dreiecken, Fernglas und GPS. Ohne lange nachzudenken, war die Meldung abgeschickt.

Die Silverrudder Challenge soll immer an dem Wochenende, das der herbstlichen Tag- und Nachtgleiche am nächsten liegt, stattfinden. Für den 18./19.09.2015 bedeutet dies eine Nachtlänge von ca. 12,5 Stunden. Der Veranstalter fordert ein umfangreiches Sicherheitsparket. Vieles davon ist vorhanden, manches muss besorgt werden. Bis zum Start am 18. September verbleibt noch eine ganze Segelsaison zur Vorbereitung. Die Stromversorgung scheint mir die größte technische Herausforderung. Navigationsbeleuchtung für ein oder zwei Nächte, Strom für den Tillerman, Backpacks für Tablett, Handy und Funkgerät. Eine Batterie für die neuen LED-Posis, eine für den Tillerman und viele Mignonzellen sollen reichen. 60 Amp/h erlauben je nach Seegangsbedingungen ca. 8-10 Stunden unter Pinnpilot für Manöver, zum Navigieren, zum Essen fassen und für menschliche Bedürfnisse. Die restliche Zeit wird von Hand zu steuern sein. Ich gehe davon aus, dass nach dem Zieldurchgang ca. 150 M KüG geloggt sein werden, für die ich 35-40 Stunden kalkuliere.

Peu à peu werden H-Boot und Skipper für den Solobetrieb vorbereitet. Känguruh-Regatten ohne Mann-schaft werden zu Trainingseinheiten.

Wir wollen die Silverrudder Challenge 2015 mit einem Dänemarkurlaub kombinieren und hoffen (leider vergeblich) auf ein paar Tage daysailing in der Dänischen Südsee. Ich segle deshalb das H-Boot bereits zwei Wochen vor dem Start allein von Kappeln nach Svendborg.

Bei sonnigem 4-5 aus NNW und angenehmen Temperaturen entpuppt sich der 40 M lange Überführungstörn zu einer perfekten Generalprobe. Der Tillerman in seiner selbstgebauten Halterung hält das Boot bei 1,5-2,0 m Welle locker auf Kurs. Auch die gummigefederte Pinnenarretierung bewährt sich. Ist der richtige Steuerwinkel gefunden, reicht etwas Feintuning mit dem Traveler, um das Boot minutenlang wie auf Schienen fahren zu lassen. Nach 9 Stunden in Svendborg angekommen, hat die Hardware die Generalprobe bestanden. Nur der Skipper klagt über Nackenschmerzen.

Nachsaison im Svendborger Hafen. 1 1/2 Wochen lang liegt das H-Boot einsam am Steg. Lediglich ein paar Rentnercrews verirren sich ab und an hierher. Auf die bevorstehende Veranstaltung mit mehr als 300 Booten weist nichts, aber auch gar nichts hin. Erst zwei Tage vor dem Start beginnen die Aufbauarbeiten. Eine Bootshalle wird geräumt und neu möbliert, der Hafen wird beflaggt. Der Veranstalter, beseelt von der dänischen Gelassenheit, hat offensichtlich die Ruhe weg. Am Ende wird er eine gute entspannte Atmosphäre geschaffen und eine perfekte Veranstaltung organisiert haben.

In der Woche vor dem Start zieht ein Tief nach dem anderen mit heftigen Winden über Fünen hinweg. 73 Teilnehmer lassen sich abschrecken. Die anderen 230 treffen mehrheitlich auf eigenem Kiel, in den kleinen Klassen auch auf dem Trailer, ein. Klassische Seemannschaft, Solidarität und gegenseitige Hilfe wird allerorten praktiziert. Konkurrenz unter den Teilnehmern gibt es nicht. Es zählt der Olympische Gedanke, zumal es keine Verrechnung gibt.

Früh angereist liegt unser H-Boot im 6er Päckchen ganz innen. Ich freue mich über jede Stunde ostsetzenden Strom, der das Päckchen von der Pier wegschiebt. Meine Nachbarn sind allesamt in meiner Klasse. Mit dem Ablegen Freitag früh werde ich keine Schwierigkeiten haben.

Einziger Pflichttermin einen Tag vor dem Start ist für mich der Sicherheitscheck. Er wird in dänischer Gemütlichkeit abgewickelt. Ein älterer Wikinger im Veranstalter-T-Shirt lässt sich die vorgeschriebenen Gegenstände vorführen, hakt in seiner Liste ab, markiert das Boot mit einem Aufkleber als geprüft , wünscht einen guten Törn und verschwindet nach 5 Minuten zum Nächsten. Schon um 11:00 Uhr habe ich mein Tagesprogramm absolviert.
Im Hafen baut sich 20 Stunden vor dem Start spürbar Unruhe und Spannung auf. Der kräftige Wind lässt die vielen Werbeflaggen knallen, pfeift in den Wanten und Masten. Schwell bringt die Boote zum Tanzen. Die meist geklickten Internetseiten zu dieser Zeit haben mit Wetter, Wind und Wellen zu tun. Die Schiffsausrüster machen Rekordumsätze und kompensieren den Silverrudder-Rabatt locker. Der gefühlte Wind steigt von Stunde zu Stunde. Der Veranstalter diskutiert zeitweise über eine Ersatzroute durch die Dänische Südsee. Grund sind die von den Meteorologen für Freitag vorhergesagten 30 Knoten Wind aus Südwest mit Böen darüber. Wer kann, refft oder wechselt auf kleinere Vorsegel. Ich kann nicht. Mir bleibt nur die Beobachtung der nachbarlichen Aktivitäten. Will ich den Abstand zu den modernen Rennern in respektablen Grenzen halten, gelingt dies nur bei viel Wind und viel Kreuz.

Bei der offiziellen Eröffnungsfeier am Donnerstagabend hat sich die größte Unruhe gelegt. Von der Ersatzroute ist keine Rede mehr. Der Bürgermeister von Svendborg sagt in seiner Begrüßungsrede das was man zu solchen Anlässen erwartet. Die Teilnehmer bewegt aber mehr die Frage, ob nun im oder gegen den Uhrzeigersinn um die Insel gesegelt wird. Wir segeln gegen den Uhrzeigersinn.

Eine ausgelassene Feier folgt nicht. Ein, zwei Bier das war's. Alle wollen möglichst viel Schlaf für die kommende Nacht speichern. Die Minis (20-25 Fuß) starten schon um 8:00 Uhr, ich 30 Minuten später.

Als Innerster im Päckchen zu liegen hat auch seine Nachteile.
Als Innerster im Päckchen zu liegen hat auch seine Nachteile.

Als Innerster im Päckchen ist meine Nacht gefühlt deutlich kürzer als die der Nachbarn. Können die nicht zusammen auf den Pott gehen? Morgens kurz vor 6:00 Uhr turnen die Ersten über mich hinweg. Den Wind höre ich schon aus der Koje. Draußen ist es noch dunkel, kalt und feucht. Stoße ich irgendwo an, ist die Stelle sofort nass. Der brennende Spirituskocher für Kaffee und Tee bringt meine Augen zum Tränen und zwingt mich, das Luk zu öffnen, brrr. Eher lustlos verdrücke ich eine Schale voll Müsli, trinke 2 Becher löslichen Cappuccino und esse mehr als ich mag. Wer weiß, wann es wieder etwas gibt. Auf den Nachbarbooten läuft ein ähnliches Programm. Kurz noch eine Whatsapp-Nachricht an Beate dann sag ich zu mir:“ Leinen los“. Die Nachbarn haben brav Platz gemacht und so kann ich bequem motorlos ablegen. Ziehe die Fock hoch und noch in Lee der Werft auch das Groß. Kaum aus der Abdeckung haut die erste Bö das H-Boot auf die Seite. Auf dem Weg zum Start muss ich das Feld der schon gestartet Minis durchkreuzen.

An der Startlinie ist es durchaus eng.
An der Startlinie ist es durchaus eng.

Die Molenköpfe der Yachthäfen von Svendborg und Vindeby bilden die Startlinie und begrenzen die Startzone im Osten. Im Westen wird sie durch die Hochbrücke und seitlich von flankierenden sandigen Flachs eingeengt. Zeitgleich zu unserer Startvorbereitung kommen die 60 mittelgroßen Kielboote, die 30 Min. nach uns starten aus dem Hafen. Wenig Raum für 44 einhand gesegelte Kielboote bei 16 KN Wind. Einige unterschätzen die Haftung des dänischen Sands und bezahlen dies mit einem DNF bevor es richtig losgegangen ist.

Der Start markiert für die meisten nur den Beginn der Zeitmessung, eine Chance auf First Ship Home haben ohnehin nur einige wenige. Ich reihe mich im vorderen Viertel ein, halte mich in Luv von den schnellen, um wenigstens ein bisschen Widerstand zu leisten. Der frische Wind treibt das Feld aufgereiht wie eine Perlenkette durch den Svendborg Sund. Erst hoch am Wind dann südlich von Thurö mit halbem Wind geht es in den Großen Belt. Das GPS zeigt konstant 6-7 manchmal sogar 8 Kn Fahrt über Grund. Damit bin ich am oberen Limit des Machbaren.

Einhand-Gennackersegeln ist nicht so entspannt.
Einhand-Gennackersegeln ist nicht so entspannt.

Ein tollkühner Wikinger versucht, auf seiner modifizierten X79 einen großen roten Gennaker zu setzen. Da ich mich mit geringem Abstand in Luv von ihm befinde, beobachte ich das Manöver mit Sorge. Bei einem Sonnenschuss könnte es eng werden. Sein Versuch misslingt, mit killenden Segeln kreuzt er mein Kielwasser kurz hinter mir. An der östlichen Ansteuerung zum Svendborg Sund ändert sich der Kurs auf 15°. Der Wind kommt nun von schräg achtern. Ich fahre immer noch 6-7 Knoten. Der Wind hat immer wieder mal kleine Durchhänger. Der X79 Wikinger hat seinen Gennaker diesmal erfolgreich gesetzt und feuert richtig los. Auch mein Spinnaker geht hoch. Die Logge macht einen Sprung und pendelt sich zwischen 7-8 Knoten ein, wenn Böe und Welle passen sogar über 10 Kn. Trotzdem ist alles ganz entspannt. Die Pinne zwischen die Beine geklemmt, der Achterholer belegt, fahre ich die Spischot aus der Hand, in Böen mit beiden. Die Pylone der Großen Belt Brücke wachsen stetig. Auf einer Seascape 27 in Lee ist es nicht so entspannt, immer wieder reißt ihr großer Gennaker sie in die Wind.

Guter Druck im Spinnacker.
Guter Druck im Spinnacker.

Es mahnt mich, nicht übermütig zu werden und aufmerksam zu bleiben. Ich habe meine Position auf die Kante verlagert. Den Pinnenausleger in der rechten Hand, Spischot griffbereit in der Klemme. Besser kann es nicht laufen. Ich schaff es sogar, ein paar Fotos zu machen. Dabei stelle ich fest, dass eine Gopro nicht mehr da ist. Sie muss in der Startphase unbemerkt von Bord gegangen sein, ärgerlich.

Plötzlich schreckt mich ein merkwürdiges, nicht lokalisierbares Geräusch auf. Was ist das denn? Ernsthaft besorgt gehe ich auf Ursachensuch. Das Geräusch ist nicht ständig zu hören, aber es kommt immer wieder. Erst kann ich die Ursache nicht ausfindig machen, doch dann kommt die Erkenntnis: Der lose Karabinerhaken des Lifebelts rutscht jedes Mal, wenn ich mich bewege auf der Cockpitbank hin und her und verursacht das seltsame Geräusch. Stehe ich auf, hängt er in der Luft und das Geräusch ist weg. Von da ab stört mich das Geräusch nicht mehr.

Nach der Große Belt Brücke geht es gegenan.
Nach der Große Belt Brücke geht es gegenan.

Es ist Zeit etwas zu essen. In Erinnerung an frühere Zeiten habe ich mich mit reichlich De Beukelaer Keksen eingedeckt. Kombiniert mit Tee und selbst geschmierten Broten ein reichhaltiges Mittagessen. Die Schoko-Füllung der Kekse erweist sich als Super-Schmiermittel. Mit Meerwasser vermischt verwandelt es den Cockpit-Boden in eine Eisbahn. Erst heftiges Schrubben mit einem Kratzschwamm lässt mich wieder halbwegs guten Halt finden.
Um exakt 12:05 Uhr passiere ich die Große Belt Brücke. Nicht schlecht für 23 M. Ich muss um 41° anluven und kann den Spi nicht mehr fahren.

Als die Brücke bereits ein Stück achter aus liegt, zieht eine Regenböe mit bis zu 35 Kn über sie hinweg, Ich bleibe in der Sonne. Glück gehabt.

Fyn Hoved erreiche ich um 16:00 Uhr. Der Spaß ist jetzt erst mal vorbei. 30 Meilen muss ich gegen eine steile, kabbelige Welle aufkreuzen. Mit einem Schlag in den Odense Fjord versuche ich, der Welle zu entkommen. Das klappt bis Aebelö ganz gut, dann gibt es keinen Schutz mehr. Das Boot springt, bockt, fährt in eine Welle, berappelt sich wieder, dann beginnt das Spiel von neuem. Die unvermeidliche Erledigung menschlicher Bedürfnisse unter Zuhilfenahme dafür geeigneter Behältnisse wird zur Shownummer und verlangt rechtzeitige Vorbereitung. Ich komme mir vor wie ein Cowboy, der mit heruntergelassener Hose auf einem Rodeo-Pferd stehend versucht, eine Kuh mit dem Lasso einzufangen.

Hätte ich darauf gesetzt mir Unterwegs etwas zu essen zu machen, wäre ich verhungert.

Nicht ohne Neid blicke ich auf die großen Boote, die mit deutlich mehr Höhe locker an mir vorbei ziehen. Entspannt winken die Skipper zu mir herüber. Sehe ich da etwa Mitleid in den Gesichtern?

Gegen 19:30 Uhr ist Aebelö quer ab. Die Sonne geht unter und es wäre eigentlich Zeit für einen Rotwein. Stattdessen sitze ich weiter an der Pinne und kreuze weiter nach Westen. 11 Stunden bin ich jetzt unterwegs. Der Tag ist gut gelaufen, 65 M liegen im Kielwasser, es ist Halbzeit! Wie sagt Thomas Roth in den Tagesthemen so passend: „Kommen Sie gut durch die Nacht.“

Die Befürchtung, die Kontakte der Positionsleuchten könnten bei dem vielen überkommenden Wasser Schaden genommen haben, erweist sich als unbegründet. Gut so bei dem starken Verkehr. Es fordert höchste Konzentration die vielen tanzenden Positionslichter um mich herum, die blinkenden Seezeichen und später die Lichter von Fredericia und Middelfart richtig einzuordnen und auseinander zu halten. Bevor ich übersehen werde, verzichte ich manches Mal auf mein Wegerecht und wende lieber weg.

Müdigkeit kommt dabei nicht auf.
Der Wind nimmt langsam ab und das Wasser glättet sich. Das Boot fährt nun minutenlang mit fixierter Pinne selbstständig den richtigen Kurs. Ich genieße es, die Pinne mal loslassen zu können.

Die erste Hochbrücke in Middelfart unterquere ich um 0:20 Uhr. Der befürchtete Strom läuft mit und so bleibt auch die Eisenbahnbrücke wenig später achteraus. Mit der Kursänderung nach Süden verschwinden die Lichter von Middelfart hinter dem Glasklint. Schlagartig wird es stockdunkel.

Bis hierher hatte ich keinen einzigen Blick in eine Seekarte werfen müssen. Der vorprogrammierte GPS zeigte die Richtung. Für mich gefährliche Untiefen lagen nicht im Weg. Das wird jetzt anders.

Der Wind kommt wieder mehr von vorne und ich kann den festgelegten Kurs nicht steuern. Ich versuche, mich zu größeren Booten so zu platzieren, dass ich immer auf deren sicheren Seite bin, aber sie sind schnell entschwunden und nur noch weiße Lichtpunkte voraus. Plötzlich bin ich ganz allein. Jetzt kommt die Stunde des Tablett-PCs. Immer wieder verschaffe ich mir einen kurzen Überblick über meine Position und laviere mich so durch den nördlichen Kleinen Belt. Hinter Faenö raumt der Wind etwas und ich kann den vorprogrammierten Kurs wieder steuern. 6 Stunden Dunkelheit liegen zu diesem Zeitpunkt hinter und noch 4 Stunden vor mir. Zeit, den bisherigen Speiseplan um eine Variante zu bereichern. Statt Wasser und Tee gibt es jetzt zu den Stullen und den De Beukelaer- Keksen noch Coca Cola und Äpfel.

Sonnenaufgang.
Sonnenaufgang.

Bis Svendborg brauche ich keine einzige Wende mehr zu fahren. Je weiter ich nach Süden komme, desto mehr kann ich abfallen. Bei Helnaes ist es um 5:50 Uhr noch dunkel, aber die kurze Dämmung kündigt sich im Osten bereits an. Grau in Grau ist der Himmel und immer wieder fällt Regen. Der Wind hat sich gestern verausgabt und wird immer flauer. Als ich gegen 7:00 Uhr am Leuchtturm Sönderhjöne vorbeisegele, ist es bereits hell und ich kann wieder spinnakern. Nach 113 Seemeilen von Hand steuert ab jetzt der Tillerman. Der GPS avisiert an dieser Stelle eine Ankunftszeit um 10:30 Uhr, nur 26 Stunden, super. Ich jubiliere.
Die kommoden äußeren Bedingungen erlauben es mir sogar, einen Kaffee zu kochen. Den Pott Kaffee in der Hand sitze ich im Cockpit, kann das Boot sich selbst überlassen, was für ein Genuss. Zeit zur Besinnung.

Nördlich von Avernakö kämpft sich die Sonne durch die Wolken. Die Hüllen können fallen. Leider fällt auch die Windanzeige. Vor dem Wind kreuzend versuche ich das Maximum herauszuholen. Was gestern so rauschend begann endet mit einem zähen Ringen. Um 10:45 Uhr kann ich das Ziel schon sehen, 2 Meilen fehlen noch, aber nichts geht mehr. Der letzte Windhauch egalisiert den wachsenden Gegenstrom. Fahrt über Grund Null. Ich überlege schon, ob ich den Anker rausholen soll. Beate ist mit dem Auto nach Rantzausminde gekommen. Wir können uns rufend verständigen. Sie beruhigt mich. Es geht nicht rückwärts, aber auch nicht vorwärts. Die Jubelstimmung vor ein paar Stunden rauscht rapide in den Stimmungskeller. Unmittelbar um mich herum zwei dänische Kollegen. Sie reden viel miteinander, machen scheinbar Witze, lachen und haben ihren Spaß. Die Flaute scheint sie nicht zu stören. Ich verstehe kein Wort, fühle mich einsam. Ich hab den Blues.

Die Regattaroute.
Die Regattaroute.

Die prognostizierte Ankunftszeit klettert weiter. Aus 10:30 wird 12:30 Uhr, aus den avisierten 26 werden am Ende 28:01 Stunden. Immer noch eine sensationelle Zeit, aber… Wer mir vorher eine solche Zeit vorausgesagt hätte, dem hätte ich einen Vogel gezeigt. Ich müsste eigentlich glücklich und zufrieden jubeln, aber die Flaute hat sehr an den Nerven gezehrt. Übermüdet wie ich bin, lassen mich Kleinigkeiten wie ein zickender Außenborder aus der Haut fahren, überlagern die Freude. Der Jubel bleibt aus, kommt erst Tage später.

40 Tage sind jetzt seit dem Zieldurchgang vergangen. Der Frust ist dem Stolz und der Zufriedenheit gewichen. Hat es sich gelohnt? Auf jeden Fall! Die gesegelte Zeit wird mit einem H-Boot nur schwer zu unterbieten sein. Will ich diese Tour nochmal machen? Ich glaube schon. Vielleicht mit einem anderen Boot oder vielleicht mit einer größeren H-Bootflotte. Erste Überlegungen sind schon angestellt.

Statistik

in meiner Klasse Platz 25 von 52
über alles Platz 150 von 230
148 MüG in 28:01 h = Ø 5,3 Knoten

20 Minis (20-25 Fuß) gestartet 18 gezeitet 2 DNF 16 DNC 36 gemeldet
52 Small (25-30 Fuß) gestartet 45 gezeitet 7 DNF 19 DNC 71 gemeldet
68 Medium (30-35 Fuß) gestartet 62 gezeitet 6 DNF 17 DNC 85 gemeldet
55 Large (35-40 Fuß) gestartet 48 gezeitet 6 DNF 8 DNC 62 gemeldet
20 Big (>40 Fuß) gestartet 19 gezeitet 1 DNF 6 DNC 26 gemeldet
16 Multis gestartet 15 gezeitet 1 DNF 7 DNC 23 gemeldet
230 gestartet 207 gezeitet 23 DNF 73 DNC 303 gemeldet

Henning Ancker-Wiewgorra

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