Int. Österreichische Staatsmeisterschaft
Ungewohnte Perspektive am Traunsee
Typischerweise schreibe ich Regattaberichte aus der Perspektive des Steuermanns. Bei der diesjährige Österreichischen Staatsmeisterschaft übernahm jedoch meine Frau, Eike Zauner, Pinne und Crew. Nach der Babypause die erste Gelegenheit für sie auch endlich mal wieder zu steuern.
Als am Samstag Vormittag der schöne thermische Wind von Nord durch die Felswände des Traunsees pfiff, machten sich die 19 Crews auf, die erste von vier Wettfahrten des Tages in Angriff zu nehmen.
Eigentlich wollte ich das traumhafte Wetter nutzen, um mit unserem Sohn auf den „Großen Sonnenstein“ zu wandern. Aber schon beim ersten Start bahnte sich ein spannendes Rennen an und so wechselten wir wiederum die Perspektive: Regattasegeln in Ebensee hat für Zuschauer den unschlagbaren Vorteil, dass sowohl der Start vom Club, als auch das gesamte Rennen von einem Radweg entlang des Westufers zu verfolgen ist. Oft setzten die Crews die Wenden an den Felswänden so dicht, dass man das Gefühlt hat, die Mastspitzen anfassen zu können.
Das erste Rennen entschied der Lokalmatador Christian „Spiessi“ Spiessberger mit seiner Crew Gerhard Schlipfinger und Klaus Manhardt für sich. Sehr zu meiner Freude, holte die Mannschaft von Eike Zauner den zweiten Platz vor Dirk Stadler, der mit Lars-Oliver Melzer und Roman Juchli am Start war. Auf dem vierten Platz folgte die österreichische Crew Florian Raudaschl, Thomas Lacherbauer und Michael Schahpar. Diese vier Mannschaften sollten den Titel unter sich ausmachen.
Die Spannung an Land riss auch im zweiten Rennen nicht ab. Der Wind hatte nochmal etwas zugelegt. Der Traunsee hat bei diesem thermischen Nordwind die Eigenschaft, dass es im Startbereich gut 4 Beaufort hat, während an der Luvtonne nur noch 2-3 Bft. verbleiben. Eine Herausforderung für die richtige Taktik und Trimm.
Nach ein paar Positionswechseln während der zwei Runden, gewann diesmal Dirk Stadler die Wettfahrt vor Eike Zauner und Christian Spiessberger mit ihren Crews. Florian Raudaschl und Crew mussten sich mit Platz fünf zufriedengeben.
Ich war inzwischen zurück in den Club gekehrt, um Fips Ullherr und seiner Crew mit einem gerissenen Fockfall an seinem neuen Boot zu helfen. Der Vorjahressieger konnte deshalb in 2020 nicht um das Podium mitmischen.
Als wir in der dritten Wettfahrt die Luv-Tonnenrundung beobachteten und die ersten Spinnaker sich öffneten, war wieder ein enger Kampf der im Klassement führenden Mannschaften zu erkennen. Nach der letzten Lee-Tonnenrundung entbrannte ein intensiver Halbwind ins Ziel. Dirk Stadler hatte hier knapp die Bugspitze vor Eike Zauner. Auf dem dritten Platz folgte wiederum Christian Spießberger.
Das vierte und letzte Rennen des Tages gewann Florian Raudaschl vor Christian Spiessberger und Eike Zauner. Dirk Stadler beendete als sechster das Rennen, übernahm am Tagesende jedoch die Gesamtführung, da nach vier Rennen bereits das schlechteste Ergebnis gestrichen wurde.
Das vom Club servierte Abendessen genossen wir draußen im Sonnenschein bei einschlafendem Wind. Selbst ich als „Landcrew“ wurde vorzüglich versorgt. Der Service des Segelclubs Ebensee zeichnet sich schon seit Jahren durch Zuvorkommenheit aus: Ob Frühstück, Semmeln für das Wasser oder mal eben 7 Aperol-Spritz, um im Hafen die einlaufenden Crews zu empfangen - es wird alles möglich gemacht von der Familie Pesendorfer und Mannschaft.
Sonntag Morgen war erstmal nichts mit Segeln. Die Thermik hatte sich noch nicht durchgesetzt, was aber nicht zu lange auf sich warten ließ. Leider sollten die Bedingungen äußerst tricky werden. Es stellte sich deutlich weniger Wind als am Vortag ein. Im Startbereich waren meist 3 Beaufort, an der Luv-Tonne allerdings teilweise sehr maue Bedingungen. Ein Tag, an welchem man tunlichst Flautenlöcher frühzeitig umschiffen muss…
Im ersten Tagesrennen bewies Christian Spiessberger hier auch gleich eindrucksvoll den richtigen Riecher. Erst auf die rechte Seite, auf dem Downwind auf die linke Seite gewechselt, segelte er einen gewaltigen Vorsprung heraus. Mit Abstand, jedoch vor Florian Raudaschl, folgte Eike Zauner. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie mit vier zweiten und einem dritten Platz noch keinen „echten“ Streicher“ gesegelt.
In vollem Bewusstsein um die Eigenarten des Traunsees und dem Punktestand, stieg bei mir an Land nochmal die Anspannung. Manchmal ist selber segeln einfacher als dabei zuzuschauen…
An Land rechneten wir eigentlich eh schon mit dem Abbruch der Regatta mangels Windes. Der Wettfahrtleiter wartete jedoch etwas ab und entschied sich zu einer weiteren Wettfahrt.
Hier konnte ich den klaren Frühstart des bis dato führenden Christian Spiessberger beobachten. Er sollte zwar auch als erster ins Ziel kommen, jedoch gewann Eike Zauner vor Fips Ullherr, der nach erfolgreicher Reparatur zumindest am Sonntag wieder am Start war. Dirk Stadler und Florian Raudaschl sammelt mit den Plätzen 6 und 14 zu viele Punkte um noch Siegchancen zu haben.
Zu diesem Zeitpunkt führte also Eike Zauner mit einem Punkt Vorsprung vor Christian Spiessberger. Zudem mit dem Vorteil, dass ein dritter Platz das schlechteste Ergebnis lautete.
5 Minuten vor Ablauf des Zeitrahmens zum Starten der letzten Wettfahrt ging es los. Noch einmal mussten zwei volle Runden konzentriert gesegelt werden. Als ob ich es mir gewünscht hätte, ließen Eike Zauner, Basti Henning und Frederick Schaal nichts mehr anbrennen und segelten noch einen weiteren ersten Platz und somit zum „Internationalen Meister von Österreich der H-Boote 2020“.
Christian Spiessberger beendete als zweiter und sicherte sich somit die österreichische Staatsmeisterschaft. Als Dritter der Regatta konnte sich Dirk Stadler mit Crew noch knapp vor Florian Raudaschl durchsetzen.
Die Siegerehrung, draußen vor der traumhaften Kulisse des Traunsees mit seinen imposanten Felswänden, wurde kurzerhand von Gottlieb Pesendorfers Ehefrau übernommen. Sie verlas die Namen aller Teilnehmer und freute sich insbesondre über den ersten Sieg einer Steuerfrau bei der Österreichischen Staatsmeisterschaft. Ich darf mich da uneingeschränkt anschließen…
Peter Zauner, Landcrew der GER 1663