Bornholm rund 2012

Der Urlaubssegelsommer fing mal wieder einen Monat zu spät an. Gut, wie sich später durch die günstigere Wetterlage erweisen sollte. Der August bot wesentlich besseres Wetter, als der Juli. Ein Ostseetörn stand auf dem Programm, die dänische Südsee sollte es diesmal nicht sein. Auf Grund widriger Umstände war ich wieder aufs Einhandsegeln verdonnert. Größere Distanzen sollten also kein Problem sein. Wohin also? Segle ich doch mal nach Bornholm - die Sonneninsel -, da wollte ich immer mal schon hin. Ausgangspunkt Lübeck über die Trave und dann ein erster Probeschlag auf See bis Fehmarn und dann weiter Kurs E. Auf Fehmarn gibt’s einen guten Ausrüster und wenn mal etwas fehlt oder nicht klappt, geht dort 'was  …

Eine schöne Raumschotsbriese.
Eine schöne Raumschotsbriese

Also gut, in Travemünde muss ich einen technischen Zwischenstopp einlegen, weil der Außenborder (diesmal AB dabei, wegen der Flauten im vorigen Jahr) trotz Wartung unzuverlässig funktioniert und der neue Pinnenpilot gar nicht will. Technisches Gefummel, justieren, versorgen und … flanieren. An einem Tag ist alles geregelt und es kann losgehen. Auf dem Weg nach Fehmarn gibt es alle Wettererscheinungen, die man sich so denken kann, Sturm ausgeschlossen. Prima Einstimmung, auf das was kommen mochte. Gleich am nächsten Morgen geht's weiter. Klintholm (Insel Mön) sollte mit knapp 60 sm Distanz locker machbar sein, 14 h sind's geworden, die Bedingungen waren gut. Nachts um 01.00 ist's still im Yachthafen und die Liegeplatzsuche hat keine Eile. Wieder am nächsten Morgen weiter, bei drehenden Winden vorbei an Möns Klint. Immer wieder imposant, wenn auch nicht so malerisch wie häufig beschrieben, die 143 m hohen Klippen.

Hier geht dicht der Fährverkehr nach Trelleborg und zum Teil der Frachtverkehr zum Öresund vorbei. Tagesziel Rönne an Bornholms SW-Küste, rd. 80 sm, also auch gut in 24 h zu schaffen. Ich benötige 16 h, kann aber erst bei Sonnenaufgang 2 ½ h später einlaufen, weil ich die Molenfeuer des Yachthafens wegen der Blendeffekte des Handelshafens und des Städtchens nicht erkennen kann. Der Hafenmeister von Nörrekas, so heißt die Marina ½ sm nördlich des Handels- und Fährhafens, ist ein wahrer Tourimanager. Man wird mit allen Touristikdrucksachen und den freundlichsten Tipps ausgestattet, die man sich nur wünscht. Es ist der unbeschwerte Beginn einer wunderbaren Inselwoche …

Die Fährlinie Gedser - Saßnitz.
Die Fährlinie Gedser - Saßnitz
Ein kleiner Stadtrundgang in Rönne.
Ein kleiner Stadtrundgang in Rönne

Tags darauf kommt meine Freundin per Flieger und wir erkunden Rönne als ein nettes traditionelles Städtchen, dass jenseits des Handels- und Fährhafens so gar nicht mehr den Flair eines Durchgangsstädtchens hat. Doch wir wollen die Insel umrunden und so geht es bei Kaiserwetter mit Sonnenschein und 3 - 4 Bft aus zunächst südl. Richtung gegen den Uhrzeigersinn los. Der im Süden liegende Flughafen - 15 Busminuten von Rönne - ist auch aus 2 - 3 sm von See bei Tag gut auszumachen. Mehrmals am Tag kommt und geht hier eine Turboprop von und nach Kopenhagen. Unser Glück ... Wenn man die "Südspitze" Bornholms erreicht, sieht man den schlanken Betonleuchtturm von Due Odde. Dort breitet sich auch ein wunderbarer Sandstrand aus, den die Dänen als den feinsten Europas bezeichnen. Der superfeine Sand soll in allen Sanduhren der früheren Seefahrer stecken. Also … einpacken …

Wir fahren 2 Tage später mit dem Fahrrad dorthin und dürfen diesen Strand genießen. Dabei kommt man durch recht kleine, verträumte Orte - wie beispielsweise Snögebaeck -, dass es immer wieder zum Verweilen und Einkehren verlockt. Nexö an der Ostküste im unteren Drittel der Insel ist für 2 Tage unser Liegeplatz. Einst wichtiger Handelshafen, jetzt Station der Fischereiflotte und des Rettungskreuzers. Nett und lebhaft ist es hier. Zwischen den guten Fischrestaurants kann man sich nur schwer entscheiden. Immer wieder schön.

Am Strand von Due Odde.
Am Strand von Due Odde
Sommersegeln gefällt der Bordfrau.
Sommersegeln gefällt der Bordfrau

Weiter geht’s nach Tenje an der Ostküste im oberen Drittel der Insel vorbei an den touristischen Schwerpunkten Svaneke und Gudhjem. Bei schwachem Wind aus nördlich / drehenden Richtungen erwarten wir bei diesiger Sicht Regen, doch es will sich nicht entladen, was sich am diffusen Himmel zusammenbraut. Und so können wir auch hier den abendlichen Sundowner im Cockpit genießen. Ein passender Rotwein zum späteren Menü im Cockpit und die Stimmung ist bestens, "obwohl" hier der Chef selbst kocht! Nach üppigem Frühstück - wie meist im Cockpit - geht es an der restlichen Ostküste um die Nordspitze der Insel. Vorbei an ]Allinge und Sandvig, wo das deutsche Kreuzfahrtschiff Hamburg ankert und Touristen ins Städtchen ausbootet. Schon bald sind wir um die nördlichen Felsen und bekommen nach den Leuchtfeuern Hammerodde und Hammeren die Festung Hammershus hoch über der See in Sicht. Majestätisch thront dort die Ruine, die in vergangenen Jahrhunderten (seit etwa 1200 n Chr.) oft umkämpft war. Die römische Kirche und die dänische Krone haben sich darum oft gestritten. Um nicht in den gleichen Hafen wieder einzulaufen, bevorzugen wir Hasle an der Westküste Bornholms, rd. 5 sm nördlich von Rönne. Der romantisch gelegene Hafen von Hammerhavnen ist wegen unseres engen Zeitfensters zu unsicher. Das Hafenhandbuch warnt vor Schwierigkeiten mit dem Auslaufen bei widrigen Winden und außerdem gibt es nur sehr begrenzte Liegeplätze. Meine Freundin hatte nur diese eine Woche zur Verfügung, daran war nicht zu rütteln.

Von Hasle aus haben wir den nördlichen Teil der Insel ein wenig per Linienbus erkundet. Die Festung Hammershus kann man wunderbar erwandern, Ausflugslokal nahebei. Von hier aus hat man einen traumhaften Ausblick nach Norden auf das Bornholms Gat, in dem uns zuvor zahlreiche und mächtige Frachter begegnet sind. Die "Bornholmer" standen noch auf der Liste des Pflichtprogramms. Dieser Teil wurde im Örtchen Allinge "erledigt". Was Bornholmer sind? Die Leckersten Heringe, die man frisch geräuchert an der See bekommen kann. Auf Bornholm versteht man etwas davon. Die Räuchereien sind oft seit mehreren Generationen in Familienbesitz und betreiben zumeist eine Gastronomie. Immer eine gute Empfehlung. Frischer Bornholmer mit Schwarzbrot und Chardonay … und Meerblick. Ein Urlaubsgenuss.

Mit dem Taxi fahren wir am Sonntagmittag zum Flughafen, um 15.00 hebt die zweimotorige Maschine mit meiner Crew gen Kopenhagen ab … und ich laufe um 18.00 Richtung Schweden aus. Hinein in den Sonnenuntergang und ab nach Ystad durch den küstennahen Großschifffahrtsweg. Nur ein kleiner Trip. Ich müsste bei Sonnenaufgang dort sein. Aber nein, es war noch lange dunkel, ich war wieder schneller als erwartet und so rausche ich am Wind weiter. Nach Sonnenaufgang erreiche ich Trelleborg. Der Yachthafen mit typischem Schwedenbistro liegt ca. 15 sm weiter westlich und ca. 2 sm östlich des Fährhafens. In der Nacht gibt es an der schwedischen Küste manch nette Begegnung mit der Berufsschifffahrt. Eine schnelle Katamaranfähre, die mir zunächst Sorgen bereitet, fährt einen großen Bogen um mich herum. Eine herkömmliche Verdrängerfähre hingegen dreht immer weiter auf mich zu, je mehr ich ausweiche. Nicht so nett, aber meine Ausweichmanöver sind - wie man aus dem Bericht schließen kann -, nicht erfolglos. Bezahlt habe ich in Schweden übrigens mit Euro. Schweden ist kein Euroland, aber die Währung wird - zumindest an der von mir besuchten Südküste - wie selbstverständlich akzeptiert. Angenehm.

Von Trelleborg will ich nach Gedser auf der Insel Falster. Obwohl auch nur ein Trip von maximal 24 h, ist es doch mein unbequemster. Sind es beim Auslaufen frische W 5 Bft. gibt es zwischendurch flaue Lüftchen aus unterschiedlichen Richtungen, um dann wieder auf mehr als 5 Bft zuzulegen. Östlich und südlich Möns Klint, wo der Schwedenfährverkehr sich gelegentlich etwas knubbeln kann, habe ich deshalb einige Zeit und Manöver bis Sonnenuntergang verbringen dürfen. Einreffen - ausreffen - einreffen, kein sympathischer Zeitvertreib. Doch nach durchsegelter Nacht kommt endlich das Fahrwasser nach Gedser in Sicht. Unmittelbar vor dem Fährhafen ist mir dann während der Fummelei am Außenborder das Boot auf die nahe Sandbank neben dem Fahrwasser gerauscht. Toll, ich bin begeistert. Schließlich bin ich in den Lotsenhafen gegangen, die starke Querströmung vor dem etwas nördlich liegenden Yachthafen machte das Einlaufen dort nicht empfehlenswert. Später gesellen sich 2 weitere Einhandsegler zu mir. Kalle aus Lüneburg und Pierre aus Narbonne. Zwei nette Begegnungen, die ich nicht missen möchte. Jeder hat eine tolle Geschichte. Die Freundschaft zwischen Kohlenpott - Norddeutschland und Frankreich wird sowohl navigatorisch als auch gesellschaftlich bestens gepflegt …

Gischt kommt über.
Gischt kommt über
Erwarte unruhiges Wetter.
Erwarte unruhiges Wetter

Wir wollen alle drei nach Travemünde. Halten uns zunächst unbequeme 6 - 7 Bft aus WSW (also genau gegenan mit entsprechend "bequemem Seegang") vom Auslaufen ab, erfreut uns es anderntags Flaute. Während meine beiden "Mitsegler" ihr eisernes Topsegel mit 5,5 bis 6 kn FdW setzen können, bringt mein AB bei Marschfahrt rund 4,5 kn und das auch nur wegen des glatten Wassers. So nutzte ich jede Brise zwischenzeitlich, um zu segeln. Vor Sonnenuntergang brist es erfreulicherweise auf, so dass ich knapp vor Mitternacht mit Rauschefahrt Travemünde erreiche, um zwischen den Molenköpfen plötzlich einen riesigen Eisenkahn zu treffen. Glücklicherweise lässt die RoRo-Fähre mir ca. 20 m Platz, so dass wir beide gleichzeitig durchpassen und kein "überflüssiges" Ausweichmanöver gefahren werden muss. Auf der Passat - prächtig illuminierte Takelage - wird hörbar gefeiert. An sonsten ist in Travemünde "der Teufel los"; Friedhofsstille Samstagnacht! Unvorstellbar für mich, aber erlebt. Gegen 04.00 bin ich schließlich am Kran im Hafen der Hansawerft. Ja, ja, das ging langsam, aber die Müdigkeit erforderte bedachtsames Vorgehen zwischen den unzähligen Dalbenbefeuerungen. Jetzt erstmal eine Mütze voll Schlaf, ich war hundemüde …

Morgens heißt es abtakeln und auskranen. Hilfreiche Motorbootfahrer aus dem Yachthafen machen einen zügigen Ablauf möglich. Mit "Werftkuchen" und frischem Kaffee versorgt, verlasse ich mit Gespann die Hansawerft und bin zeitig in der Nacht daheim in Essen. Glückliche 436 sm liegen im Kielwasser und tolle Eindrücke, die ich in 3 Urlaubswochen an 12 Segeltagen erleben durfte. Ich bedaure, dass aus zeitlichen Gründen die Erbseninseln nicht angelaufen werden konnten. Das Nächstemal vielleicht …

Interessant waren die Nachtfahrten, die insbesondere wegen der dichten Großschifffahrt wenig Ruhezeit ermöglichten, aber natürlich dieses besondere Flair vermittelten, wenn man einhand mit einem so kleinen Boot unterwegs ist. Einfach toll. Der überwältigende Sternenhimmel hat Nacht für Nacht für alle Unbequemlichkeiten großzügig entschädigt.

Michael Röhrig
GER 1176
Semper Fidelis

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