Mit dem Regattaboot auf Ostseetörn 2011
Geht – und es hat Spaß gemacht!
Nachdem es im Jahr zuvor aus verschiedenen Gründen nicht geklappt hat, wollte ich im Sommer 2011 unbedingt wieder mit dem eigenen, kleinen Boot – wie früher mit dem Jollenkreuzer – auf Törn gehen. Um alles, was ich mir zum „komfortablen Tourensegeln“ ausgedacht habe, auszuprobieren, erschien mir ein gemütlicher Ostseetörn gerade recht. Schließlich wurden die Wetteraussichten für Juli und August vor Abreise stets positiv dargestellt. Wenn auch der Törn insgesamt schön verlaufen ist, das mit dem Wetter sollte dann doch etwas anders werden …
Nach Traileranfahrt war Lübeck der Ausgangspunkt meiner kleinen Rundreise durch die südwestliche und westliche Ostsee zu den großen dänischen Inseln. Nach reichlich Versorgung und einigen ergänzenden Vorbereitungen ging es los via Travemünde in die Lübecker Bucht und weiter nach Fehmarn. Einhand sollte es nach Kopenhagen gehen und von dort mit charmanter Verstärkung weiter nach Schweden bzw. gemütlich in die dänische Inselwelt. Zum Start gab es Dauerregen und Flaute, die im Verlauf des Törns häufig von Starkwind abgelöst wurde und umgekehrt. Der Sommer 2011 fiel ja über weite Strecken entgegen ursprünglicher Prognosen „allergiefreundlich“, aber dafür wenigstens nicht zu warm aus. Bereichert wurde das Traumwetter mehrfach von Nebel, der diverse Törnabschnitte ziemlich erschwerte. Schließlich waren nur Tagesfahrten vorgesehen. Einhand nachts bei Nebel und Flaute erschien mir nicht so attraktiv, zumal die Großschifffahrt – wie sich zeigen sollte – sich keineswegs allein auf den Kiel-Ostseeweg beschränkt.
Auf dem Weg nach Fehmarn versuchten einige Folkeboote mich abzuhängen. Dieser Herausforderung wurde mit verbessertem Trimm begegnet und die alte Ordnung blieb (im Kielwasser) zur Zufriedenheit des Skippers erhalten. Regattadenken kann man nur begrenzt verdrängen …
Nun, Fehmarn (Burgtiefe), Falster (Gedser), Mön (Klintholm) und Seeland (Rödvig) waren alsbald erreicht und Kopenhagen kam nach 6 Segeltagen in Sicht. Bei besseren Bedingungen wären es nur 4 Segeltage geworden, aber ich war ja im „Sommer 2011“ unterwegs. Der Spi konnte zu meinem Bedauern nur kurzzeitig eingesetzt werden. Das war auch ein ziemliches Gehampel, einhand mit Sicherungsleinen im Seegang. Die 143 m hohen Kreidefelsen von Mönsklint durften bei „fast Nebel“ erahnt werden. Von wegen imposantes Schauspiel bei Sonnenaufgang. Sichtweite 1 bis 1,5 sm. Da werden Fotos nix. Von Kopenhagen aus wurde die Baldeneyseeflotte, die bei der WM in Neustadt angetreten war, von der glücklichen Ankunft informiert. Manche liebe Segler(-in) hatten sich doch Sorgen gemacht …
Wegen fortgesetzt „freundlicher Wetterlage“ gab es Kopenhagen-Sightseeing für meine zugestiegene Mitseglerin ungeplante 4 Tage lang. Der waagerechte Regen mit Begleitmusik im Mast war doch in den netten Straßencafes Nyhavens und anderswo besser zu ertragen, als auf See. Und ab und zu, wir mochten es kaum glauben, kam für Minuten sogar die Sonne hervor. Als es schließlich nach Malmö ging, über den Öresund durch die imposante Öresundbrücke, war allerdings das Farbspektrum der Vorwoche wenig verändert. Ich durfte während dieses Törns erfahren, wie viele Grautöne es doch gibt. Alsbald gings zurück in dänische Gewässer, um über Kalvehave in die östliche Ansteuerung des Smalandsfahrwassers südl. Seeland zu gelangen. Erstmals Backstagsbrise! Der ausgeprägte Seegang (5) bei NE 6 wirkte längst nicht mehr so hart, wie zuvor gegenan. Obwohl das Boot auf Grund reichlicher Beladung ca. 8 cm tiefer im Wasser lag, machte es prima Fahrt. Die konstruktiven Rauwasserqualitäten des H-Boots haben mich während des Törns mehrfach positiv angesprochen. Die „alten Hasen“ haben immer gesagt, „das H-Boot hält was aus“. Offensichtlich stimmt das, denn es ist nichts kaputt gegangen.
Im Smalandsfahrwasser lief GER 1176 die Insel Vejrö an. Ein erster Sommervormittag bescherte angenehmes Butterflysegeln durch alle Brücken. Welch eine Annehmlichkeit! Urlaub auf dem Boot kann ja so erholsam sein! Der Hafen von Vejrö, im Hafenhandbuch als stark frequentiert beschrieben, war leer (!!!) Einen Augenblick wollte ich an meinen navigatorischen Fähigkeiten zweifeln. Tatsächlich befand sich eine englische Slup dort und eine eine deutsche Yawl lief mit uns ein. Im nahen Restaurant, einem sehr gepflegten Landhaus, ist der Chefkellner gleichzeitig der Hafenmeister und der Einzelhändler für wenige Grundnahrungsmittel. Als wir abends in voller Ölzeugmontur (wegen des wieder einsetzenden Novemberwetters) dort erschienen, bekamen wir sogleich 2 Sessel an den Kamin geschoben, um dort unsere Klamotten zu trocknen. Im Räuberzivil wurden wir anschließend fürstlich bedient mit leckeren Produkten der Insel. Schafe, Schweine, Hühner und Kühe laufen freu herum. Abends ist es stockdunkel auf der Insel. Der Eigentümer kommt gelegentlich mit seiner privaten Cessna und schaut nach dem Rechten. Seinen Müll darf man wieder selbst mitnehmen. Die Fahrradtour mit Mountainbikes durch wadentiefen Schlamm wurde fast zum Survivaltrip, aber bei Sonne und Wind lassen sich die Folgen des „Standardwetters“ ertragen: alle Wege waren total versumpft. Eine Idylle bietet die Insel mit ihrer handvoll Bewohner, nur die Liegegebühren nicht.
Vom Smalandsfahrwasser ging es in den großen Belt. Der empfing uns – inzwischen daran gewöhnt – mit einem mächtigen Böenkragen. Das beschleunigte die Reise und es staubte mal wieder nicht. Spodsbjerg auf Langeland ist ein reger Hafen, den sich Fischer, Sportfischer und Segler teilen. Glücklicherweise macht die Fähre am nahen Anleger nachts Pause, so dass Ruhe für den ermatteten Tourensegler herrscht. Auf dem Weg nach Bagenkop erreichte uns mal wieder eine ausgeprägte Flaute, so dass der Segeltag ziemlich lang wurde. Mit einem E-Motor kann man eben keine Strecken brummen. Er leistet nur Manövrierhilfe im Hafen und dafür ist er mitgenommen worden.
Die letzte nennenswerte Strecke sollte über den Fehmarnbelt in den Fehmarnsund und weiter in die Lückecker Bucht gehen, um vor einer nahenden Sturmfront möglichst weit Richtung Travemünde zu gelangen. Früh gestartet, früh im Fehmarnsund und dann 4 ½ h mit Flaute erfolglos am Spi gezuppelt. Wir haben uns dann für Heiligenhafen entschieden (das schaffte der E-Jockel) und dort einen schönen Sommerabend mit anderen Kleinbootseglern verbracht. Am nächsten Tag, dem geplanten letzten Segeltag, pfiff es mit E 8 Bft in die Lübecker Bucht. Das wollten wir uns am Schluss der Reise ersparen und so fuhren wir die 50 km zu unserem Gespann in der Hansa Werft/Lübeck mit ÖPNV … in 4 h! In der nahen Werft neben der Segler-Vereinigung Heiligenhafen sind wir samstags komfortabel ausgekrant worden. Der Betriebsleiter meinte „wir H-Bootsegler müssen doch zusammen halten“. Er segelt eines der seltenen H35 und ich trug zufällig ein H-Boot-Poloshirt. Nett, Recht hat er.
Die Trailerfahrt zurück war, wie auch die Hinfahrt, problemlos. Zu Hause war aller-dings Einiges zu trocknen. Schimmel oder Stockflecken hat es übrigens nicht gege-ben. Ein oder zweimal musste die Blumentopfheizung bemüht werden, ansonsten reichte Lüften bei passender Gelegenheit. Die Badeleiter war so überflüssig wie das Sonnensegel, hingegen war das Cockpitzelt regelmäßig im Einsatz. Die Reffeinrichtung am Großsegel war unverzichtbar und die Sturmfock in Reserve war Beruhigung.
6 Inseln, 12 Häfen, keine Schäden,
350 sm, davon 175 sm einhand,
14 Segeltage, 6 Hafentage...,
Fortsetzung folgt...
Michael Röhrig