Regatta- und Reisebericht mit 2 H-Booten
Die Motivationen, an der traditionsreichen Regatta rund um die Insel Seeland teil zu nehmen, waren vielfältig: „die Nachtfahrten durch perfekte Mitsommernächte“, „der Reiz mit dem H-Boot durch das Kattegat und durch das Smaland Fahrwasser segeln“, „die Herausforderung, 72h Marathon-Segeln anzunehmen“, „mit dem H-Boot auf offenem Seerevier unterwegs zu sein“ oder einfach „keinen Startplatz beim Silver-Rudder bekommen zu haben“.
Am Donnertag früh, 29.Juni 2017, ging es endlich los. Es versammelten sich 124 Boote an der Startlinie in Helsingoer vor der großartigen Kulisse des „Elsinore Castles“, um die Wettfahrt um die größte dänische Insel aufzunehmen. Das Organisationsteam des „Elsinore Yachtclub“ hatte alle Teilnehmer am Vorabend herzlich empfangen und uns mit ihrer skandinavischen Lässigkeit mit den Wettfahrtbedingungen vertraut gemacht. 10 verwegene Skipper (darunter 2 H-Boot Segler) nahmen die Strecke einhand in Angriff. Gewertet wurde in 15 Gruppen(2 singelhanded, 2 two-handed [darunter weitere 3 H-Boote], 8 im racing-mode und 3 im touring-mode). Die Gruppeneinteilung erfolgte je nach Besatzungsanzahl, Bootslänge und Tiefgang und natürlich in Abhängigkeit von den Ambitionen der jeweiligen Skipper/innen. Für die 15 Startergruppen standen 3 Kurse zur Verfügung. Wir H-Boote konnten den kürzesten Kurs um die Inseln nehmen, der im Süden durch das Smaland Fahrwasser und den Ulvsund führt. Gesegelt wurde dieses Jahr gegen den Uhrzeigersinn; die Insel Seeland immer an der Backbordseite.
Zum Start empfing uns zwar eine geschlossene Wolkendecke, aber freundliche Temperaturen um 20 °C und mäßiger Ostwind um 3 Beaufort machten es uns leicht, die ersten Meilen den Sund nach Norden hinaus zu segeln. Mit Eintritt ins südliche Kattegat briste der Wind gelegentlich etwas auf und es kam Welle hinzu. Bis zum ersten Wendepunkt an der nordwestlichsten Stelle (Sjællands Odde) des Kurses ging es flott voran.
Platt vor dem Lacken oder raumschots kreuzend, konnten wir H-Boote locker die „Pace“ von deutlich größeren Booten mitgehen. Am späten Nachmittag hatten „Umoja Ni Nguvu“ und „Heureka“ das Seeriff Sjaellands Rev passiert. Nun begann ein heißer Ritt den Belt hinauf Richtung Süden zur großen Belt Brücke. Der Wind hatte auf Nord-Ost gedreht und briste nun auf stabile 5 bis 6 Windstärken auf. Gelegentliche Drücker und eine ordentliche Welle sorgten für ausreichend Spannung auf den Spischoten und Surfs jenseits der 10 Knotenmarken die Wellentäler hinab. Für mich als Binnensegler mit Heimatrevier Tegernsee eine mehr als spannende Erfahrung.
Hier machte sich die gute Vorbereitung bemerkbar. Bei einem der Boote hatten sich nur wenige Wochen zuvor bei ähnlichen Bedingungen die Blöcke aus dem Deck gelockert. Dies war zum Anlass genommen worden, einen gründlichen Rundum-Check an den Booten vorzunehmen. Bei den jetzt herrschenden Seebedingungen, zumal allein auf dem Boot, sicher eine unschöne Situation, auf die jeder gerne verzichten möchte. Die Verkehrsdichte im Belt hatte schon merklich zugenommen und mit einsetzender Dunkelheit waren wir ganz froh, dass nun einige deutliche größere Boot die Führung übernahmen und diese uns sicher durch den Verkehr und die Betonnung der großen Belt-Brücke lotsten. Die Durchfahrt der Brücke war um 03.00 Uhr deutlich nach Mitternacht. Gott sei Dank ließ nun der Wind etwas nach, denn meine Kondition war nach der aufregenden Passage erstmal ziemlich erschöpft.
Als taktische Raffinesse und zur Erhöhung der Sicherheit haben Einhandsegler bei der Seeland-Regatta die Möglichkeit, alle 24 h eine zeitneutrale Pause von 4 Stunden einzulegen. Ich war nach der Brückenpassage geneigt im Hafen von Korsoer einzulaufen. Auf Nachfrage per UKW mahnte „Umoja“ aber an, dass wir den nun immer schwächer werdenden Wind so lange nutzen sollten, wie möglich. Also wurde rasch der Camping-Kocher gezückt und frischer Kaffee gekocht. Kaum war dieser mit einem köstlichen Müsli genossen, setzte intensiver Regen ein. Der Wind wurde immer flauer und so trieben wir in strömendem Regen mit einigen anderen Teilnehmern südwestlich der Insel Agersoe mit minimaler Geschwindigkeit Richtung Osten. Um 09.00 Uhr kam der Wind vollständig zum Erliegen und der Regen wurde nochmals intensiver. Zeit für eine Ankerpause unweit des Basnaes Noors. Der 3 stündige Schlaf hat wirklich gut getan. An den Wetterverhältnissen hat sich leider nichts geändert. Platte See! Nicht den Hauch einer Luftbewegung und Regen, Regen, Regen! Nach und nach zeigte sich zunehmend eine ganz andere Herausforderung. Mit der Nässe kam die Kälte. Auch ein zweiter Satz Segelkleidung war relativ schnell durchgenässt. Das ganze Boot war nass. Innen und außen. Die Kombination aus Kälte und Nässe, das Gefangen sein im Flautenloch, die Enttäuschung über Wetterverhältnisse, wie wir sie gar nicht in unserer Vorstellung geplant hatten und die noch deutlich spürbare Müdigkeit und Anstrengung der ersten130 sm nagten an unserem Durchhaltewillen. Zu zweit kämpften wir noch bis zum Abend gegen diese Wand aus Unwägbarkeiten. Wir trieben mehr als wir segelten noch kurz vor die Storstroems-Brücke. Hier endete die Regatta für uns, da keine Wetteränderung in Aussicht stand. Die Prognose vielleicht sogar 2 weitere Nächte frierend in nasser Segelbekleidung zu verbringen, war uns vor allem aus Sicherheitsaspekten keine Option. Denn mit der Kälte kommt die Unsicherheit vor allem bei Bewegungen auf dem Schiff. Schließlich ist aber das „Mann-über Bord gehen“ für Einhandsegler das Tabu schlechthin, auch wenn wir ständig an der Sicherheitsleine eingeschäkelt sind.
Ein weiterer Teilnehmer, der sich für eine vorzeitige Beendigung der Regatta entschieden hatte, nahm uns auf den Harken. Die letzten Kabellängen in den Hafen von Vordingborg haben wir per Paddel zurückgelegt, und somit zumindest an dieser Stelle nochmal unsere sportlichen Ambitionen zum Ausdruck gebracht. Mit gemischten Gefühlen haben wir am späten Abend im Hafen festgemacht. Eine warme Dusche hat die Delle im Regatta-Ego schon mal verkleinert. Am nächsten Morgen nach dem Frühstück hatten wir im Zug nach Helsingoer reichlich Zeit zur Analyse unserer Entscheidung. Auch waren bereits erste Überlegungen gestartet, was, bei erneuter Teilnahme in 2018, in der Vorbereitung verbessert werden könnte. In Helsingoer haben wir uns noch einmal recht herzlich bei den Organisatoren der Regatta bedankt und unsere GPS Tracker abgegeben. Mit den Autos und Trailern ging es zurück nach Vordingborg. So haben wir nun die Insel Seeland einmal per Boot, einmal per Bahn und einmal mit dem Auto bereist.
Beim Zusammenpacken und Auskranen waren wir uns bereits einig, dass die Teilnahme an der Veranstaltung unter Reiseaspekten bereits ein voller Erfolg war. Der vorzeitige Abbruch der Regatta war bereits in den Hintergrund verdrängt worden. Die Freude am Segeln mit dem H-Boot in der noch jungen Saison stand und steht im Vordergrund. Und für die Nachsaison stehen natürlich wieder Überlegungen an, welche Reisen und/oder Regatten, abseits des jeweiligen Heimatreviers, mit dem H-Boot in 2018 angesteuert werden könnten.
Florian, Heureka, G-823, August 2017