Ringenatz-Cup 2024: Experiment gelungen
Es rauscht wie Freiheit. Es riecht wie Welt. –
Natur gewordene Planken
Sind Segelschiffe. – Ihr Anblick erhellt
Und weitet unsre Gedanken.
(Aus: Joachim Ringelnatz: Segelschiffe, 1932)
Der diesjährige Regattakalender der H-Boote hatte erstmals vier Yardstickregatten zu Ranglistenwettfahrten erhoben, sofern die üblichen Voraussetzungen der Klasse wie Mindestteilnehmerzahl erfüllt sind. Das jetzt auch Yardstick- und damit auch Einzelwettfahrten einen Ranglistenstatus bekommen können, ermöglicht die neue Wettfahrtordnung des DSV. Die Klassenvereinigung gab allen Yardstick-Ranglistenregatten in 2024 den niedrigen Faktor 1,0.
Von den vier im H-Boot-Kalender entsprechend ausgeschriebenen Yardstickregatten kam in diesem Jahr letztlich nur der Berliner Ringelnatz-Cup in die Wertung. Diese traditionell am Feiertag 3. Oktober stattfindende Kultregatta des Potsdamer Yacht Clubs (PYC) ist seit einigen Jahren mit Teilnehmerzahlen von jeweils um die 100 Boote die größte Wettfahrt für Kielboote und Jollenkreuzer auf Wannsee und Unterhavel. Zwar gibt es auch die für eine Ranglistenegatta wichtige Einzelwertung, aber die Besonderheit ist die Wertung von Vereinsteams. Die bestehen aus je drei Booten, die meist unterschiedlichen Klassen angehören, und deshalb nicht unbedingt in derselben Startgruppe antreten. Für große Vereine treten sogar mehrere Teams an, in diesem Jahr waren es insgesamt 32.
15 H-Boote hatten jetzt gemeldet, 13 gingen durchs Ziel, was ungefährt auch in den letzten Jahren der Fall war und oft der Meldezahl Berliner H-Boot-Ranglistenregatten entspricht. Von den insgesamt 113 gemeldeten Booten waren die H-Boote die größte Klasse, bildeten aber unter den vier nach Yardstickfaktoren unterteilten Startgruppen keine eigene Gruppe.
Auf der Unterhavel segeln geschätzt 80 bis 100 H-Boote, von denen die große Mehrheit keine Regattasegler sind. Doch jetzt gab es Teilnehmer, die sonst nie Ranglistenregatten segeln. Sie haben oft ältere Boote und nehmen sonst allenfalls an vereinsinternen Regatten teil oder an den jeweiligen Mittwochs-, Donnerstags- oder Freitagsregatten. Einzelwettfahren lassen sich besser mit Familie oder einem stressigen Job vereinbaren. Es ist deshalb zu begrüßen, zu diesen Seglern eine Brücke zu bauen, sie wertzuschätzen und zum Mitsegeln zu motivieren.
Der Ringelnatz-Pokal hat noch andere Besonderheiten. Während normale Up-and-down Kurse wegen der kurzen Abstände zwischen den Bojen möglichst manöverfeste Teams bevorteilen, sind dies bei Langstrecken nicht so wichtig. Angesichts vieler großer Yachten wäre es auf dem Wannsee ohnehin sehr eng geworden. So gab es dann zwar eine Kreuz und einen Vorwindgang die buchtartige Berliner Badewanne rauf und runter, dazwischen aber eine lange Halbwindstrecke die Havel bis zur Insel Lindwerder hin und zurück. Das entzerrte das 100-Boote-Feld, entspannte etwas die Teams und führte auch dazu, dass nur wenige der langsamen Boote von den schnellen Rennern mit Yardstickfaktoren unter 90 überrundet wurden.
Bei um die 3 Windstärken waren die ersten H-Boote nach 4 Stunden 12 Minuten gesegelter Zeit im Ziel, die letzten kamen 40 Minuten später. Regelmäßig finden sich H-Boote in der Einzelwertung unter den ersten zehn Schiffen, was eine gute Werbung für unsere Klasse ist, die derzeit in Berlin steigende Meldezahlen aufweist.
Nachdem unser Team (Sven Hansen, Kai Müller, Kyaw Soe) lange das H-Boot-Feld mit großem Vorsprung angeführt hatte, kam das Team von Joachim Schmidt/Michael Müller/Johannes Becker immer näher und überholte uns sogar noch kurz vor der letzten Leetonne. Zum Glück konnten wir schnell den Spieß wieder umdrehen. So bewahrheiteten sich die Namen der Boote von Schmidt („Ciao“) und uns („haschmich“) glücklicherweise nicht, sondern waren ganz im Sinne von Ringelnatz nur augenzwinkernd zu verstehen.
Die Regatta zum Gedenken an den früheren Seemann, Schriftsteller, Kabarettisten und Maler Hans Gustav Bötticher alias Joachim Ringelnatz (1883 bis 1934), der u.a. die Kunstfigur Kuttel Daddeldu schuf, ist auch ein originelles Kulturevent. Nach dem Zieldurchgang werden zwischen heißer Suppe und Preisverleihung im PYC-Clubhaus liebevoll Gedichte von Ringelnatz rezitiert. Die Wettfahrt ist sowohl anspruchsvoller Regattasport mit Kulturprogramm wie auch ein beliebtes Gemeinschaftsevent der Unterhavel-Vereine. Den Ringelnatz-Cup zur Ranglistenregatta der H-Boote zu machen war eine richtige Entscheidung und hat in diesem Jahr gut funktoniert.
Sven Hansen, GER 646