Sonnenschuss mit Hagel
Stürmisches Trainingswochenende auf dem Berliner Wannsee, 22./23. April.
Das Team ist zu Saisonbegin noch aus der Übung. Bei Manövern sitzen die Handgriffe nicht mehr sicher. Mancher Knochen scheint eingerostet. Dazu kommt der Winterspeck. Trotzdem macht die Kälte den Körper steif. Und wie war das nochmal mit dem Focktrimm? Mit dem Achterstag, dem Crosssheeting, der Tonnenrundung?
Ach, wir wären so gern bei sonnigen drei bis vier Windstärken sanft wieder ins H-Boot-Feeling reingewachsen. Doch das April-Wetter hatte anderes mit uns vor. Zum Glück waren die eigens aus Bayern angereisten Trainer Dirk Stadler und Thomas Kausen etwas einfühlsamer. Sie haben uns beim H-Boot-Training der Flotte Nordost, das am Wochenende nach Ostern beim SV03 als Ausrichter der diesjährigen Deutschen Meisterschaft auf dem Berliner Wannsee stattfand, nicht gleich total unter Stress gesetzt.
Stattdessen haben uns die beiden erstmal eine willkommene Eingewöhnungsphase gegönnt. Denn bei den meist 4 bis 6 Windstärken am ersten und den 5 bis 7 Windstärken am zweiten Tag war es bei nasskaltem Schietwetter schon manchmal eine richtig harte Nummer.
Vielleicht war das Wetter auch mit ein Faktor, warum von den ursprünglich zehn gemeldeten Teams angesichts des Vorhersagen dann letztlich doch nur noch fünf mitmachten. Aber diese haben dafür ihre Manöverabläufe und Mannschaftskoordination geübt und damit an sicherer Bootsbeherrschung gewonnen. Unter ähnlichen Bedingungen dürften sie bei Wettfahrten künftig den Kopf etwas freier haben und weniger mit dem reinen Durchkommen beschäftigt sein. Abgesehen davon ist es auch stets ein tolles Gefühl, widrige Umstände mit Gewinn überstanden zu haben.
So gab es zu Beginn also erstmal einige kurze Bahnen ohne Spinnaker und den Versuch, eine gewisse Ruhe in die Boote zu bringen. Aber auch da kamen wir schon gehörig ins Schwitzen. So kippte schon früh ein Mittelmann über Bord, der seinen Ausreitgurt verpasst hatte. Zwischen Hagel- und Regenschauern brach dann bei einem Boot ein Niederholerbeschlag. Bei einer Halse krachte später bei einem anderen die Befestigung vom Travellerblock.
Als es dann schließlich an die Spimanöver und -abläute ging, kam in einer Bö mit einem Sonnenschuss noch ein vergeigter Spikurs hinzu. Aber trotz mancher Probleme blieb wenigstens ein teurer Crash wie im Vorjahr aus. Auch das vielleicht einer der sichtbaren und willkommenen Lernfortschritte, die im Laufe des Wochenendes unübersehbar waren.
Die beiden H-Boot-Cracks Dirk und Thomas wären nicht so tolle Trainer, wenn sie nicht mit uns die verpatzten wie auch gelungenen Manöver Punkt für Punkt durchgegangen wären. Sehr hilfreich waren dafür auch die in der Mittagspause wie am Ende gezeigten Videos der jeweiligen Trainingseinheiten von Thomas. So konnten nicht nur alle selbst ihre Performance sehen, sondern Dirk und Thomas haben konstruktiv Fehler analysiert wie auch gute Beispiele gezeigt und wo möglich unterschiedlichen Optionen aufgezeigt. Schon auf dem Wasser gaben sie nicht nur hilfreiche Trimmtips, sondern auch ihre Kommentare zu unseren Manövern, zum Steuern („Vorwinds keine Umwege fahren“) oder zum Handling des Spinnakers. Dabei fuhren sie meist in Rufweite direkt neben einem der Boote.
Auch wenn das Segeln unter den widrigen Umständen manchmal grenzwertig war, so hat es angesichts der Intensität des Lernens, mancher Aha-Effekte wie auch des Gruppenerlebnisses mit den anderen Teams Spaß gemacht. Dazu beitragen haben auch die geselligen Runden später im trockenen Clubhaus. Ein Freund der H-Boot-Klasse, der anonym bleiben will, spendete sogar ein leckeres Essen. Ein großer Dank dafür!
Segeltraining bei böigem Starkwind, Regengüssen oder fiesem Hagel ist so eine Sache. Aber immerhin ist es Segeln. Aber unter diesen Bedingungen zwei Tage klaglos auf den Trainerbooten nahezu bewegungslos in der Kälte und Nässe rumsitzen zu müssen und dabei die gute Laune nicht zu verlieren , ist wirklich eine echte Leistung, die Anerkennung verdient. Auf einem der zwei Mobos, die freundlicherweise von der Seglervereinigung 03 und dem Segel-Club Ahoi zur Verfügung gestellt wurden, saß auch Flottenobmann Peter Nürnberger. Er hatte das Ganze wie schon im Vorjahr hervorragend organisiert und hat abends beim Bier schon angedeutet, dass es im nächsten Jahr direkt vor den Frühlingswettfahrten wieder so ein Training geben soll. Nur zu. Es muss ja im April nicht immer hageln.
Ein großer Dank an alle Beteiligten!
Sven Hansen, GER 646